Wohnungs- oder Hauseigentümer verkauft, kassiert und bleibt wohnen – das rechtliche Modell des Verkaufs mit Weiternutzung bei selbstgenutzten Wohnimmobilien.
Die Ausgangslage:
Ältere Menschen, die nicht mehr berufstätig sind, wohnen oft in ganz oder zum größten Teil abbezahlten Wohnungen oder Häusern. Sie verfügen über eine gute Altersversorgung und auch über einige Reserven für unerwartete Ausgaben in bar oder Wertpapieren. Eigentlich können sie ein zufriedenstellendes Leben führen. Aber oft steckt der größte Teil des Vermögens dieser Menschen in der eigenen Immobilie, die auch zum Wohnen genutzt wird. Hier liegen manchmal hunderttausende von Euro, gegebenenfalls auch siebenstellige Beträge, die von den an sich Vermögenden nicht genutzt werden können, um sich teure Extrawünsche zu erfüllen. Sei es der lang ersehnte Oldtimer-Sportwagen aus den fünfziger Jahren, sei es die berühmte Weltreise oder vielleicht auch einfach nur die Möglichkeit, jeden Monat nicht unerhebliche Beträge zusätzlich auszugeben, um einen gehobenen Lebensstandard zu erreichen. Andererseits besteht nicht immer Interesse daran, die Immobilie zu vererben. Viele Menschen in dieser Situation haben gar keine Nachkommen, andere sehen, dass ihre Kinder bereits eigene Wohnimmobilien besitzen und im Falle einer Erbschaft ohnehin sofort verkaufen würden, um dann das Geld für eben die Extraausgaben zu nutzen, die sich die ältere Generation im Augenblick noch versagt.
Da man aber andererseits nicht sein möglicherweise langjähriges Zuhause einfach verkaufen will, um dann den Kaufpreis auszugeben, kann man sich fragen, ob es nicht auch mögliche andere Lösungen gibt, die gleichzeitig den Extrabedarf an barem Geld befriedigt, aber auch die Weiternutzung des eigenen Zuhause möglich macht.
1. Generelle Möglichkeiten der Lösung
Grundsätzlich gibt es verschiedene Ansätze, hier gewissermaßen durch einen Kompromiss beide Interessen miteinander zu vereinbaren. Zum einen könnten die Immobilien-Eigentümer einen Kredit auf Ihre Immobilie aufnehmen, der erst bei ihrem Tode zur Rückzahlung (für die Erben oder durch Verwertung der Immobilie oder beides) fällig wird. Die Auszahlung des Kredits an die Immobilieneigentümer kann auf einmal erfolgen oder auch in monatlichen Raten. Nachteil dieser Lösung ist, dass man jedenfalls immer mit einer Kreditschuld belastet ist, die unter unglücklichen Umständen vielleicht doch noch zu Lebzeiten fällig werden könnte.
Eine weitere Möglichkeit: die Immobilieneigentümer verkaufen ihre Wohnimmobilien und mieten sie sogleich vom Käufer zurück, gegebenenfalls unter Absicherung durch ein im Grundbuch eingetragenes Wohnrecht. Der Nachteil dieser Lösung ist wiederum, dass man vom Eigentümer zum Mieter der eigenen Wohnung mutiert und nicht auszuschließen ist, dass in der Zukunft Streitigkeiten über die Miethöhe entstehen können.
Schließlich gibt es aber noch die Möglichkeit, dass die Eigentümer ihre Wohnimmobilien zwar verkaufen, sich aber ein lebenslanges Wohnrecht in „ihrer“ Wohnung vorbehalten. Dies kann entweder gegen Zahlung einer monatlichen Rente oder aber gegen eine einmalige größere Zahlung erfolgen.
Mit dem letzten hier erwähnten Modell werden wir uns jetzt kurz beschäftigen, weil dies nach unserer Ansicht den oben genannten Bedürfnissen der älteren Wohnimmobilieneigentümer am meisten entgegenkommt. Diese Gestaltung ist in den letzten Jahren bei unseren europäischen Nachbarn in Frankreich und der Schweiz unter dem Stichwort „viager“ zunehmend von Bedeutung geworden.
2. Verkauf der eigenen Wohnimmobilie mit Eintragung eines lebenslangen Wohnungsrechts des Verkäufers
Wie in der Einleitung schon angedeutet, kann es sein, dass längst im Ruhestand befindliche Personen in einer Immobilie wohnen – sei es die Altbauwohnung in begehrter Innenstadtlage einer der deutschen Metropolen, sei es ein schönes Einfamilienhaus im Vorort – gerade aufgrund der Wertsteigerung der Immobilien in den letzten Jahren ein nicht ganz kleines Vermögen darstellt. Würde man diese Immobilie einfach so verkaufen, hätte man zwar relativ viel Geld, aber keine Wohnung mehr.
Hier bietet sich die Lösung an, die Immobilie unter dem Vorbehalt der Eintragung eines Wohnungsrechts gemäß § 1093 BGB (oder gegebenenfalls sogar eines Nießbrauches gemäß § 1030 BGB) an einen Dritten zu verkaufen. Das Wohnungsrecht der Verkäufer wird im Grundbuch eingetragen und zwar so, dass es bis zum Tode der Eigentümer besteht. Der Vorteil dieser Lösung: man bleibt einfach weiter wohnen, wie man es zuvor auch getan hat.
3. Details
Rechtlich gibt es kein Problem, eine Immobilie zu einem beliebigen Kaufpreis an einen Erwerber zu veräußern und sich als Verkäufer im selben Kaufvertrag ein lebenslanges Wohnrecht vorzubehalten. Von Gesetzes wegen ist beispielsweise in § 1093 BGB festgehalten, dass an einem Grundstück das Recht bestellt werden kann, also im Grundbuch eingetragen, die verkaufte Immobilie als eigene Wohnung zu benutzen, und zwar unter ausdrücklichem Ausschluss des Eigentümers, also des Neuerwerbers. Dieses Wohnungsrecht bedeutet so im Verkaufsfall, dass der Verkäufer, der es sich eintragen lässt, weiterhin in „seiner“ Wohnung leben kann, wie er es vielleicht schon seit Jahrzehnten getan hat. Wichtig ist im Falle des Abschlusses eines solchen Vertrages, dass bei der späteren Grundbucheintragung das Wohnungsrecht vor alle die anderen Belastungen des Grundstücks eingetragen wird, die die jeweiligen Gläubiger dieser Belastungen zu einer Versteigerung des Grundstückes berechtigen könnten. Denn: sollte das Wohnungsrecht lediglich nachrangig eingetragen worden seien und es käme zur Versteigerung, würde es möglicherweise erlöschen. Das Schöne an dem vorgenannten Wohnungsrecht im Falle des Verkaufs der Immobilie ist, dass es – außer den entsprechend dem Kaufvertrag zu tragenden Nebenkosten, wie etwa Heizung Wasser, Strom etc. – keine monatlichen Kosten verursacht, insbesondere keine Miete.
Natürlich bekommt man eine solche Situation nicht vollkommen kostenlos. Wie oben gesagt ist es zwar richtig, dass man eine Immobilie auch mit Wohnrecht zu einem beliebigen Preis verkaufen kann, wenn man einen entsprechenden Käufer findet. Aber in der Regel muss man natürlich bedenken, dass das Wohnrecht den Wert der Immobilie objektiv schmälert. Denn der Erwerber kann ja als Eigentümer, solange das Wohnungsrecht noch besteht, selbst nicht vermieten und auch nicht selbst einziehen, also seine Immobilie nicht verwerten. Dies wird beim Kaufpreis regelmäßig berücksichtigt. Natürlich gibt es auch hier keine festen Werte, weil letztenendes der Kaufpreis immer Verhandlungssache ist.
In der Regel wird aber bei der Bewertung des Wohnungsrechtes die zu erwartende Lebensdauer der Wohnberechtigten berücksichtigt und eine entsprechende Minderung berechnet. Dazu bedient man sich der sogenannten Sterbetafeln des Bundesfinanzministeriums.
Um es beispielhaft deutlich zu machen: in der aktuellen Fassung der Sterbetafeln würde bei einem 67-jährigen Ehepaar für den Mann eine Lebenserwartung von weiteren 16,49 Jahren und für die Frau von 19,45 Jahren berechnet. Würde dieses Ehepaar seine Wohnimmobilie mit Wohnungsrecht verkaufen, so müsste der Käufer vernünftigerweise davon ausgehen, dass er für knapp 20 Jahre seine gekaufte Immobilie nicht nutzen kann. Entsprechend wäre ein Abschlag auf den Kaufpreis zu machen, den man erzielen könnte, wenn die Immobilie sofort übergeben werden würde.
Gehen wir bei der Beispielsimmobilie von dem oben erwähnten schönen Einfamilienhaus im Vorort oder der Altbauwohnung guter Citylage aus und rechnen hier einfach mal einen (aktuellen Verkehrs-) Wert von 1.000.000, so sagt die Erfahrung, dass bei einem Verkauf mit Wohnrecht hier ein Abschlag von 30-50 % denkbar wäre. Das ist wie gesagt keine in Stein gemeißelte Wahrheit; wie hoch der Abschlag tatsächlich ausfällt, ist natürlich Verhandlungssache. Wenn man aber von den hier gemachten Schätzungen ausgeht, so würde das bedeuten: das Ehepaar könnte durch den Verkauf seiner eigenen Immobilie einen Betrag von 500.000-700.000 € erwirken, der ihm sofort zur Verfügung stünde. Gleichzeitig würde sich an seiner Wohnsituation nichts ändern.
Andererseits kann ein solches Geschäft auch durchaus für den Käufer interessant sein, weil er eine attraktive Immobilie zum reduzierten Preis erhält. Gerade im Hinblick auf aufzubringendes Eigenkapital für den Erwerb kann dies interessant sein, weil der Käufer für einen Sofortkauf zum Verkehrswert möglicherweise nicht genügend davon aufbringen könnte. So könnte für den Käufer hier gelten, dass sich warten lohnt, wenn er zunächst preisgünstig kauft.
4. Risiken
Das größte Risiko für den Verkäufer besteht natürlich darin, dass er sein Wohnungsrecht nicht sehr lange ausnutzen kann, weil er vielleicht schon kurz nach dem Verkauf verstirbt. Eine Abgeltung nicht „abgewohnter“ Lebensjahre ist von Gesetzes wegen nicht vorgesehen. Umgekehrt besteht das Risiko für den Käufer darin, dass der oder die Verkäufer sehr viel länger leben und die Wohnung nutzen als erwartet. Ob man dieses Risiko eingehen will, muss man sich vor Abschluss des Vertrages überlegen.
Dann sollte der Verkäufer noch bedenken, dass er sich mit dem Wohnungsrecht an seine bisherige Wohnung bindet. Wenn er vielleicht doch noch seinen Wohnsitz wechseln, etwa in eine andere Stadt ziehen will, so könnte ihm das Wohnungsrecht, für das er ja einen erheblichen Preisnachlass gegeben hat, verloren gehen. Hier gibt es im Einzelfall natürlich die Möglichkeit, mit dem Käufer darüber zu verhandeln, ob er eine vorzeitige Aufgabe des Wohnungsrechts vergüten oder vielleicht dem Berechtigten die Möglichkeit der weiteren Nutzung des Rechtes etwa durch Vermietung geben will. Dies sind aber Einzelfalllösungen, die möglichst schon bei Vertragsabschluss besprochen und dann auch im Vertrag urkundlich fixiert werden sollten.
Fazit: es besteht die rechtliche Möglichkeit für Immobilieneigentümer, ihre Wohnimmobilie mindestens teilweise finanziell zu verwerten und damit ihr liquides Vermögen erheblich zu vergrößern, ohne dass ihnen dabei die Möglichkeit zur dauerhaften Wohnnutzung verloren ginge. Denkt man über eine solche Möglichkeit nach, sollte man auch daran denken, dass wegen der nicht unerheblichen Risiken hier eine detaillierte vertragliche Gestaltung durch kompetente rechtliche Beratung unbedingt erforderlich ist. Grundsätzlich ist für Menschen, die einen wertvollen Immobilienbesitz selbst zum Wohnen nutzen und aus welchen Gründen auch immer kein besonderes Interesse daran haben, diesen Besitz irgendjemandem zu vererben, die beschriebene Gestaltung aber nachdenkenswert.