Das Urteil des EuGH vom 19.1.2010 (Rs. C-555/07 – Kücükdeveci) hat zur Folge, dass auf nach dem 2.12.2006 ausgesprochene Kündigungen auch vor Vollendung des 25. Lebensjahres liegende Beschäftigungszeiten bei der Berechnung der Kündigungsfrist zu berücksichtigen sind. Arbeitgebern ist insoweit nur ausnahmsweise Vertrauensschutz zu gewähren, wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist für sie eine unzumutbare Härte bedeuten würde oder über einen vor Veröffentlichung des EuGH-Urteils bereits abgeschlossenen Sachverhalt zu entscheiden ist.
Zum Sachverhalt verweisen wir auf unseren Artikel vom 15.02.2010 „Europarechtswidrigkeit von Kündigungsfristen!“
Für die Verlängerung der Kündigungsfrist kommt es folglich gem. § 622 Abs. 2 Satz 1 BGB ausschließlich auf die Dauer der Betriebszugehörigkeit an.
Für den Streitfall ergibt sich hieraus, dass der Beklagte wegen der zehnjährigen Beschäftigungsdauer der Klägerin eine Kündigungsfrist von vier Monaten einzuhalten hat. Ihm ist auch kein Vertrauensschutz zu gewähren. Der EuGH hat zur Frage des Vertrauensschutzes nicht explizit Stellung genommen. Daher ist eine Interessenabwägung vorzunehmen zwischen dem Vertrauen der Arbeitgeber in die Anwendbarkeit der gesetzlichen Altersschwelle und dem Recht der benachteiligten Arbeitnehmer auf diskriminierungsfreie Gleichbehandlung.
Da die Gerichte gehalten sind, den unionsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz zur vollen Geltung zu bringen, und aufgrund zahlreicher kritischer Stimmen in Rechtsprechung und Schrifttum sowie dem EuGH-Urteil vom 22.11.2005 (Rs. C-144/04 – Mangold) mit der künftigen Unanwendbarkeit von § 622 Abs. 2 Satz 2 BGB zu rechnen war, ist Vertrauensschutz nur in Ausnahmefällen zu gewähren. Im Einzelnen gilt:
• Die Gewährung von Vertrauensschutz scheidet aus, wenn zwischen den Beteiligten ein noch offener Streit über die Kündigung schwebt und die „rückwirkende“ Verlängerung der Kündigungsfrist keine unzumutbare Härte für den Arbeitgeber bedeuten oder dessen Existenz gefährden würde.
• Die Gewährung von Vertrauensschutz kommt in Betracht, wenn das Gericht über einen Sachverhalt entscheiden soll, der, weil die Kündigung mit zu kurzer Frist hingenommen wurde, vor Veröffentlichung des EuGH-Urteils vom 19.1.2010 bereits abgeschlossen war. Der zivilrechtliche Schutz kann hier über die Generalklausel des § 242 BGB und das Institut der „Verwirkung“ gegeben werden.
Entscheidung im Volltext des LAG Düsseldorf – klicken Sie bitte hier (PDF-Datei).
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