Das Arbeitsgericht Berlin bleibt auch im November 2020 geöffnet und arbeitet weitgehend regulär. Der überraschende Anstieg der Infektionszahlen in den vergangenen Wochen wird voraussichtlich dazu führen, dass viele Unternehmen der Region Arbeitsplätze abbauen werden. Der Abbau von Arbeitsplätzen bedeutet betriebsbedingte Kündigungen. Diese Kündigungen führen zwangsläufig zu einem Anstieg der Klagen bei dem Arbeitsgericht. Denn eine Klage wird für die meisten Arbeitnehmer alternativlos sein, wenn sie den Anspruch auf eine Abfindung nicht verlieren wollen.

Viele Kündigungen sind zu erwarten: Im Zuge der ersten Maßnahmen zur Eindämmung der COVID-19 Pandemie im März 2020 haben viele Betriebe aus konjunkturellen Gründen Kurzarbeit beantragt. Im Juni 2020 bezogen 5,4 Mio Menschen Kurzarbeitergeld, mithin etwa 20 % aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland. Eine wichtige Voraussetzung der Kurzarbeit ist die Prognose, dass der Anlass für den konjunkturellen Einbruch vorübergeht und das Arbeitsverhältnis in absehbarer Zeit fortgesetzt werden kann. Es ist davon auszugehen, dass diese Prognose für viele Unternehmen vor dem Hintergrund der nun zu erwartenden Einschränkungen in den kommenden Monaten nicht mehr zutrifft. Kommt der Arbeitgeber zu der unternehmerischen Entscheidung, dass ein Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen nicht fortgesetzt werden kann, wird er in der Regel eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen. Unmittelbare Folge ist zunächst, dass zumindest für dieses Arbeitsverhältnis die Voraussetzungen für Kurzarbeit nicht mehr vorliegen und der Arbeitnehmer bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses den Anspruch auf seinen vollen Arbeitslohn behält.

Der Arbeitnehmer muss schnell reagieren: Nachdem der Arbeitnehmer das Kündigungsschreiben erhalten hat, gewährt ihm der Gesetzgeber eine Frist von lediglich 3 Wochen zur Erhebung der sogenannten Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht. Der Gesetzgeber hat den Zugang zum Arbeitsgericht bewusst niedrigschwellig gestaltet. Die Klage muss nicht unbedingt von einem Anwalt erhoben werden. Vielmehr kann der Arbeitnehmer auch persönlich mit seinem Arbeitsvertrag und dem Kündigungsschreiben bei dem Arbeitsgericht Berlin, Magdeburger Platz 1, 10785 Berlin, vorstellig werden und dort bei der Rechtsantragstelle die Klage gegen die Kündigung zu Protokoll geben. Insbesondere rechtsschutzversicherte Arbeitnehmer und solche, bei denen es um langjährige existenziell wichtige Arbeitsverhältnisse geht, werden diesen Schritt jedoch in der Regel nicht ohne anwaltliche Hilfe unternehmen.

Zum Verständnis der gesetzlichen Frist von 3 Wochen ist es wichtig, dass der Arbeitnehmer folgenden Zusammenhang versteht: Sofern das Arbeitsverhältnis bereits seit mehr als 6 Monaten besteht (in der Regel nach der Probezeit) und der Arbeitgeber regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, genießt der Arbeitnehmer Kündigungsschutz. In diesem naturgemäß besonders häufigen Fall ist die Kündigung nur wirksam, wenn sie aus betrieblichen Gründen zwingend notwendig ist. Die Schwelle zum Nachweis dieser Notwendigkeit hat der Gesetzgeber ganz bewusst sehr hoch angesetzt. In der Regel gelingt es dem Arbeitgeber nicht, das Gericht von der Notwendigkeit der Kündigung zu überzeugen und er bietet dem Arbeitnehmer im Rahmen des Prozesses eine Einigung an: Wenn der Arbeitnehmer die Beendigung des Arbeitsverhältnisses akzeptiert, zahlt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Abfindung. Die Höhe der Abfindung richtet sich jeweils nach den individuellen Bedingungen des Arbeitsverhältnisses. Sofern keine echten Besonderheiten vorliegen, gilt in Berlin die Formel “ein halbes Bruttomonatsgehalt pro Beschäftigungsjahr“ als eine Art Ausgangswert. Dieser Wert wird in der Praxis relativ selten unterschritten und relativ häufig überschritten.

Für den Arbeitnehmer ist dieses sehr niedrigschwellige Verfahren praktisch risikolos: Die Gerichtskosten sind gering, im Falle der (besonders häufigen) Einigung entfallen sie vollständig. Die Kosten der Gegenseite hat der Arbeitnehmer zumindest in der 1. Instanz nicht zu tragen und die Kosten der eigenen anwaltlichen Vertretung sind aus sozialen Gründen gedeckelt und werden gegebenenfalls vollständig von der Rechtsschutzversicherung übernommen. Natürlich bietet die COVID-19 Pandemie mit den damit verbundenen Einschränkungen häufig nachvollziehbare Gründe für den Abbau von Arbeitsplätzen. Es ist aber für den Arbeitgeber ausgesprochen schwierig, diesen Abbau von Arbeitsplätzen rechtlich und sozial so zu gestalten, dass der Arbeitnehmer keinerlei Abfindung erhält.

Es lohnt sich also für den Arbeitnehmer überaus häufig, die in der Regel unkomplizierte Klage auf Kündigungsschutz zu erheben und damit einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung zu erwerben. Versäumt der Arbeitnehmer die 3-Wochen-Frist, ist es für eine Abfindung zu spät. Das gilt selbst dann, wenn zuvor eine Abfindung in Aussicht gestellt wurde oder die Kündigung objektiv nicht gerechtfertigt ist. Es kann also nicht deutlich genug betont werden, dass sich der Arbeitnehmer unmittelbar nach Erhalt der Kündigung mit einem Fachanwalt für Arbeitsrecht in Verbindung setzen sollte. In Zeiten von Corona gilt dies erst recht, denn ein neuer Arbeitsplatz ist jetzt besonders schwer zu finden und niemand sollte in diesen Zeiten der Unsicherheit auf eine Abfindung verzichten, die ihm zusteht.