OLG Brandenburg Az. 3 W 35/21: Bestellung eines Nachlasspflegers auch möglich zur Durchsetzung der Beendigung eines Mietverhältnisses mit mutmaßlichen Erben eines verstorbenen Mieters.

1. Zur grundsätzlichen Problematik

Wenn der Mieter einer Wohnung verstirbt, so endet keineswegs automatisch der Mietvertrag. Vielmehr setzt sich der Mietvertrag über den Sterbefall hinaus fort und zwar mit den Erben. Dies gilt grundsätzlich und ergibt sich aus der Tatsache, dass gemäß § 1922 BGB die Erben Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen werden und in dessen vertragliche Verpflichtungen eintreten. Mindestens für die Dauer der gesetzlichen Kündigungsfrist (3 Monate) ist also der Mietvertrag auch von den Erben zu tragen. Denn § 564 BGB legt auch fest, dass im Falle des Todes des Mieters sowohl dessen Erben als auch der Vermieter berechtigt sind, innerhalb eines Monats, nachdem sie vom Tod des Mieters Kenntnis erlangt haben, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist zu kündigen. Diese gesetzliche Frist beträgt die eben genannten 3 Monate. Insbesondere ist für den Vermieter wichtig, die Monatsfrist für die Kündigungserklärung zu beachten, da sonst gegebenenfalls die über 3 Monate hinausgehenden verlängerten Kündigungsfristen langjähriger Mietverhältnisse eingreifen könnten.

(Von dieser grundsätzlichen erbrechtlichen Problematik übrigens zu unterscheiden ist die Lage, wenn bestimmte Personen, die nicht unbedingt Erben sein müssen, nach dem Tode des Mieters in dessen Mietvertrag eintreten dürfen. Das Gesetz sieht solche Eintrittsrechte zum Beispiel für Ehegatten, Kinder oder Lebenspartner, die im gemeinsamen Haushalt mit dem verstorbenen Mieter gewohnt haben, vor (§ 563 BGB). Diese Personen müssen ausdrücklich erklären, dass sie in den Mietvertrag selbst eintreten wollen; gegebenenfalls gibt es auch hier Sonderkündigungsrechte des Vermieters. Diese Eintrittsrechte aber sollen nicht Gegenstand dieser heutigen Betrachtung sein.)

2. Unbekannte Erben des Mietvertrags

Problematisch wird die Rückgabe der Wohnung eines verstorbenen Mieters an den Vermieter, wenn ihm die Erben des Mieters nicht bekannt sind oder es scheinbar gar keine gibt. Damit sieht sich der Vermieter der Situation gegenüber, dass er nicht weiß, an wen er eine Kündigung adressieren könnte, um seine Wohnung von dem Mietvertrag zu befreien. Das bedeutet für den Vermieter eine rechtliche Unsicherheit, weil er nicht weiß, ob es nicht doch Erben gibt, die eben auch diesen Mietvertrag mitgeerbt haben und damit im Rechtssinne seine Mieter sind.

3. Schwierigkeiten mit der rechtlich korrekten Beendigung des Mietverhältnisses

In dem unlängst entschiedenen Fall (OLG Brandenburg, Beschluss vom 13.4.2021, Aktenzeichen 3 W 35/21) war das Oberlandesgericht mit einer entsprechenden Konstellation konfrontiert. Eine Vermieterin musste damit umgehen, dass eine verwitwete und kinderlose Erblasserin, die Mieterin ihrer Wohnung gewesen war, verstarb.

Der Vermieterin bekannte mögliche Erben, entferntere Verwandte, hatten der Vermieterin gegenüber angegeben, die Erbschaft ausgeschlagen und deshalb auch mit dem geerbten Mietvertrag nichts zu tun zu haben. Von möglichen anderen Erben, deren Existenz die Vermieterin vom Hörensagen für möglich halten durfte, kannte sie zumindest keine Anschriften oder sonstigen Daten, die eine Zustellung der Kündigung ermöglicht hätten.

Grundsätzlich verhält es sich nun so, dass in Fällen, in denen die Erben eines Verstorbenen nicht oder noch nicht bekannt sind, eine Nachlasspflegschaft angeordnet werden kann (§ 1960 BGB). Diese Anordnung kann das zuständige Nachlassgericht treffen. Diese Anordnung trifft das Gericht, wenn es zur Sicherung des Nachlasses erforderlich scheint. Ein so vom Gericht eingesetzter Nachlasspfleger wirkt im rechtlichen Sinne als gesetzlicher Vertreter des noch unbekannten Erben und kann damit insbesondere auch befugt sein, Kündigungen von Verträgen des Erblassers auszusprechen oder entgegenzunehmen. Gemäß § 1961 BGB ist eine solche Nachlasspflegschaft aber auch auf Antrag – etwa eines Gläubigers des Erblassers – einzurichten, wenn, so der Gesetzestext, „die Bestellung zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs“ nötig erscheint.

In dem hier in Bezug genommenen Fall vor dem Oberlandesgericht Brandenburg hatte die Vermieterin der Erblasserin aus den oben genannten Gründen keinen direkten Ansprechpartner, dem sie etwa die Kündigung hätte zustellen können oder mit dem sie über die Räumung der Wohnung verhandeln konnte. Deshalb beantragte sie beim zuständigen Amtsgericht die Einrichtung einer Nachlasspflegschaft für den Nachlass Ihrer verstorbenen Mieterin zwecks Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung.

Das Amtsgericht wies diesen Antrag zurück. Zur Begründung verwies das Amtsgericht darauf, dass Voraussetzung für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft gemäß § 1960 BGB sei, dass Erben unbekannt und ein sicherungsbedürftiger Nachlass vorhanden seien. Im konkreten Fall sei das Vorhandensein eines sicherungsbedürftigen Nachlasses zumindest dem Gericht nicht ersichtlich. Außerdem habe das Gericht drei postalisch bekannte Erben über ihr Ausschlagungsrecht in Kenntnis gesetzt, sodass insofern von unbekannten Erben im Sinne von § 1960 BGB nicht die Rede sein könnte.

Gegen diese amtsgerichtliche Entscheidung erhob die Vermieterin Beschwerde und trug vor, es lägen aber die Voraussetzungen von § 1961 BGB vor, nach dem sie als Gläubigerin eines gegen den Nachlass gerichteten Anspruches, nämlich Miete und Kündigungsrecht, durchaus eine Nachlasspflegschaft beantragen dürfte. Zudem seien hier die Erben nicht im Rechtssinne bekannt. Als Erben kämen nämlich Brüder, Nichten und Neffen der Verstorbenen in Betracht, deren Anschriften ihr, der Vermieterin, zumindest teilweise unbekannt seien. Die Kündigung müsste aber gegenüber allen Miterben erfolgen, sodass es ihr eben jetzt nicht möglich sei, den Mietvertrag zu beenden.

4. Lösung des Oberlandesgerichts: Zulässigkeit der Nachlasspflegschaft

Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in diesem Falle der Beschwerde der Vermieterin recht gegeben. Zur Begründung führte es aus, dass in diesem Falle für die Anordnung einer Nachlasspflegschaft auf Antrag eines Berechtigten gemäß § 1961 BGB die Voraussetzungen des § 1960 BGB nicht unbedingt vollständig vorliegen müssen. Gemäß dem Text des § 1961 BGB kann ein Gläubiger des Nachlasses „zum Zwecke der gerichtlichen Geltendmachung eines Anspruchs“ gegen den Nachlass eine Nachlasspflegschaft beantragen. Hier war das der Anspruch auf die Rückgabe der Mietsache gemäß § 546 Abs. 1 BGB. Zur Geltendmachung solcher Ansprüche ist es aber nicht nötig, so das Oberlandesgericht, dass der Antragsteller/Gläubiger die Ansprüche gegen den Nachlass sogleich gerichtlich geltend machen will. Unter Bezugnahme auf frühere Entscheidungen anderer Obergerichte führt das Oberlandesgericht hier aus, dass es genügt, wenn der Gläubiger zunächst auf außergerichtliche Befriedigung seiner Ansprüche drängt und nur gegebenenfalls auch den Prozessweg beschreiten will. Der Anordnung einer Nachlasspflegschaft in solchen Fällen stünde auch nicht entgegen, dass es möglicherweise gar keinen sicherungsbedürftigen Nachlass im Sinne von § 1960 BGB gibt. Daneben stellte das Oberlandesgericht Brandenburg in diesem speziellen Fall auch noch fest, dass Erben im Sinne von § 1960 Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann (noch) unbekannt sind, wenn die Erbenermittlungen durch das Nachlassgericht noch nicht vollständig abgeschlossen sind, also noch nicht durch das Nachlassgericht alle Personen festgestellt worden sind, die dann als Erbengemeinschaft und damit Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen auftreten können.

Fazit: stirbt ein Mieter und sind dessen Rechtsnachfolgeverhältnisse so unklar, dass es für den Vermieter schwierig ist, dessen Erben zu erreichen, so kann der Vermieter unter Umständen zwecks möglichst schneller Beendigung des bestehenden Mietverhältnisses gerade für diesen Zweck eine Nachlasspflegschaft beantragen. Dies gilt auch dann, wenn der Vermieter zunächst gar nicht unbedingt die gerichtliche Geltendmachung seiner Ansprüche beabsichtigt. Die Abwicklung des Mietvertrages könnte dann vergleichsweise zügig über den Nachlasspfleger erfolgen und damit möglicherweise schneller, als wenn man warten müsste, bis das Nachlassgericht sämtliche Erben des Verstorbenen ermittelt hat.